Jubel im Skisport, Katzenjammer im Karate
🇨🇭Roland Zolliker
In allen Sportwettbewerben sind die Team-Disziplinen die Krönung der Wettkämpfe. Sie bleiben in Erinnerung der Sportler, Fans vor Ort und allen die sich für diese Sportart begeistern. In jüngster Zeit haben die Skisportler (Foto: Team-Kombi Gold, Silber & Bronze, WM Saalbach 2025) Feuerwerke entfacht und mit ihren herausragenden Leistungen Ruhm und Ehre für die Schweiz eingelegt.
An der Nordischen Ski-WM gewann das Quartett Cyril Fähndrich, Jonas Baumann, Jason Rüesch und Valerio Grond erstmals seit 53! Jahren wieder eine Team-WM Medaille. 5 Jahrzehnte nach den goldenen olympischen Winterspielen «Ogis Leute siegen heute» in Sapporo. Die Erfolge im fernen Japan führten Adolf Ogi 1987 in den Bundesrat und zum Sportminister.
Von solchen Erfolgen kann die Karate-Schweiz zurzeit nur träumen. Der Entscheid der Führung, keine Kumite-Teams an den kommenden 60. Elite-Europameisterschaften in Yerevan/Armenien (7.-11. Mai 2025) starten zu lassen wird in der Szene heftig diskutiert. Die Entscheidung „von oben“ löste insbesondere bei den betroffenen Athletinnen Unverständnis und Frust aus.
Jeder Athlet, jede Athletin will sein Land an einer Welt- oder Europameisterschaft vertreten, auf den Tatamis stehen. Ruhm und Ehre einlegen. Stolz das Schweizer Kreuz tragen. Gerade im Team. Es gibt nichts Grösseres.
Begründet wird die Nicht-Selektion:
«Nach sorgfältiger Abwägung sportlicher, konzeptioneller und wirtschaftlicher Aspekte hat die operative Führung der SKF in Absprache mit dem Zentralvorstand entschieden, in diesem Jahr keine Kumite-Teams für die Europameisterschaften zu selektionieren». In einem Vorschreiben wurden noch «soziale» Gründe angefügt. Da stellen sich doch, im Hinblick auf das Team Frauen (alle weisen Podestplätze auf Weltebene auf), einige Fragen:
1-sportlich (ist das Team keine Selektion wert??)
• Elena Quirici, Quirici 2020/SWKO, Nr. 2 WKF Ranking
• Maya Schärer, Quirici 2020/SWKO, Nr. 27
• Nina Radjenovic, Karatedo Lyss/Aarberg/SKA, Nr. 26
• Pauline Bonjour, Neuchâtel Karaté Do/SKU, Nr. 40
2-sozial (für wen, die Athletinnen, die Führung oder den Staff??)
3-konzeptionell (passt in die Konzeption kein Team mehr rein??)
4-wirtschaftlich (Athletinnen im Einzel selektioniert, Mehrkosten?, sprengt die Startgebühr von 110 Euro das Budget SKF??)
«In der diesjährigen Phase liege der zentrale Fokus auf der individuellen Betreuung und Förderung, da die Europameisterschaften eine entscheidende Rolle für die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 spielen. Die Team-Wettbewerbe hingegen haben keinen Einfluss auf die Team-Worldcup-Qualifikation für das Jahr 2026 – hierfür ist erst die Europameisterschaft im kommenden Jahr relevant».
Da stellt sich doch die Frage, warum dies nur für Frauen-Kumite gilt, jedoch nicht für Frauen-Kata? Die Antwort liegt für alle «Insider» auf der Hand: Alle drei Athletinnen weisen die gleiche homogene Herkunft wie der «Führende» auf. Im Gegensatz zum nicht-selektionierten Frauen-Kumite-Team.
Gegen die Selektion des Teams Kata Frauen ist nichts einzuwenden, das Team hat zweifelsohne an Qualität gewonnen, es geht hier ausschliesslich um die Nicht-Gleichstellung mit dem Kumite-Team, dessen Mitglieder zweifelsohne über einen eklatant besseren internationalen Leistungsausweis verfügen. Offensichtlich sind diese Resultate irgendwo auf der«Strecke» geblieben.
Europameisterinnen 2018: Noémie Kornfeld, Nina Radjenovic, Ramona Brüderlin, Elena Quirici
Zuständig für die internationalen Selektionen ist der dafür vom Zentralvorstand gewählte Selektionsausschuss. Dieser stellt sich wie folgt zusammen:
Michel Melinda (Vorsitz), Reto Kern, Dominique Sigillo, Mario Trachsel, Luca Rohner, Diana Tiede-Schwab. Alles Persönlichkeiten die eine ausgewiesene Praxis im Spitzensport vorweisen. WM-EM Selektionen, K1 Teilnahmen. Zudem sind, mit Ausnahme der Vorsitzenden, alle auch als Trainer engagiert. Kennen also beide Seiten. Fazit: Ein hochkompetentes Gremium, dessen Entscheide, seit der Führung von Michel, transparent sind. Dazu trägt auch die vom Chef Leistungssport, Luca Rohner, erarbeitete Punktetabelle bei.
Trotzdem, und nicht zum ersten Mal, wird die Kern-Kompetenz des Selektionsausschusses übersteuert. Und zum wiederholten Male ist es die «Führung», die aus «übergeordneten» Gründen eingreift.
Einflussnahmen beschädigen die Glaubwürdigkeit des Selektionsausschuss. Das Deutungsmonopol liegt bei ihr und sie hat es auch durchzusetzen.
Bei der aktuellen Entscheidung, die so verkündet, von der Führung und Zentralvorstand (was einige Mitglieder in Abrede stellen) einvernehmlich getroffen wurde, sind doch einige Punkte anzumerken.
Die SKF untersteht der Ethik-Charta von Swiss Olympic. Diese sprach der SKF letztes Jahr CHF 40 000 LINK zu, zur Anwendung und Umsetzung erhöhter Ethik-Anforderungen. Vorgängig ist eine Ethik-Analyse zu erstellen. An Praxis-Fällen fehlt es nicht.
Anmerkung: In der vom Bundesrat verabschiedeten Sportförderungsverordnung (SpoFöV) ist, unter dem Kapitel 4, vermerkt: Finanzhilfen an den Dachverband der Schweizer Sportverbände werden nur gewährt, wenn der Beitragsempfänger wirksame Massnahmen ergreift, um: Verstösse gegen die Verhaltenspflichten, die sich aus der Ethik-Charta des Schweizer Sports ergeben (Fehlverhalten), zu verhindern. Hier wären die „Vorgesetzten Stellen“ zuständig.
Zurück zur Ethik-Charta, Punkt 3:
«Sportlerinnen und Sportler werden an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt». Dies sind die Nicht-Selektionierten Elena Quirici, Maya Schärer, Nina Radjenovic und Pauline Bonjour. Beteiligt nein, vor vollendete Tatsachen gestellt, ja.
Punkt 5, Ethik-Charta:
Das Verhalten untereinander ist von Respekt geprägt. Die getroffene Entscheidung ist nicht von Achtung, sondern von Missachtung geprägt.
Auf Weisung von Swiss Olympic installierte auch die SKF eine Athletenkommission. Diese, resp. die von Nationalkadermitgliedern (ab 16 Jahre) gewählten Mitglieder, wurden am 13. Dezember 2024 vom Zentralvorstand bestätigt:
Elena Quirici, Yuki Ujihara, Nina Radjenovic, Pauline Bonjour, Lea Huber.
Die Zusammensetzung (Kata, Kumite vertreten, Repräsentation Deutsch- und Westschweiz, weibliche und männliche Mitglieder) transparent und vorbildlich. Erstmals öffentlich präsentiert und festgehalten, in den von Luca Rohner professionell erstellten Kick-Off Folien, wurde die Kommission am 4. Januar 2025 in Magglingen.
Im Konzept ist formuliert:
«Athleten sind die Hauptakteure im Sport und ihre Perspektiven, Anliegen und Bedürfnisse sollten angemessen berücksichtigt werden. Das Ziel ist es, mit der Athletenkommission eine strukturierte Plattform zu schaffen, um die Stimmen und Anliegen der Athleten innerhalb des Verbands zu vertreten und sicherzustellen, dass ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden».
Auch hier gab es keinen Einbezug. Nicht einmal eine Vor-Information. Die Mitglieder erfahren es gleichzeitig wie alle anderen Adressaten auf dem offiziellen Kanal «Wordpress».
Das mit solchen Vorgehensweisen die «Entscheider» Gegenwind ausgesetzt sind, sich unangenehmen Fragen stellen müssen liegt in der Natur der Sache. Dass personelle Konsequenzen gefordert werden ebenfalls.
Ein Armutszeugnis für eine Organisation die 2018 noch die Europameisterinnen stellte und mit WM, EM und K1 dekorierten Athletinnen an der EM 2025 am Start ist. Keine Auszeichnung für die aktuelle Führungs-Performance.
Statt progressiv-pragmatischer, zukunftsfähiger Lösungen, werden rückwärtsgewandte Ideologien praktiziert. Gefordert ist im Jahr 2025 eine «Politik» der flexiblen Ansätze, evidenzbasierte Lösungen, die sich auf aktuell-gültige praktische Erfahrungen und den aktuellen Wirkungs- und Erfolgsstand der heutigen Spitzensporttrainer ausrichtet. Nur wer sich an veränderte Gegebenheiten anpasst und bereit ist, neue Erkenntnisse zu integrieren, ist auch erfolgreich. Beispielgebend zwei Stützpunkte die mit den Besten arbeiten.