Emotionen in Guadalajara
🇨🇭 Roland Zolliker
Am K1 Youth League in Guadalajara gewann der 13jährige Yevhenii Melnyk, mit vier Siegen, Bronze in der Kategorie U14, -45 kg. Sowie acht andere Karatekas in dieser Altersklasse. Nichts Besonderes. Und doch war etwas anders. Der junge Ukrainer fand sich zwar bei der Siegerehrung (Video) ein, verliess dann jedoch diese. Dem Sieger, Igor Grigorev, den Handschlag verweigert. Einem Athleten «neutraler» Herkunft.
Dieser konnte, und 19 andere Karatekas auch, unter dem Banner des Weltverbandes starten. So beschlossen im Oktober 2023.
Das Video ging viral, erhielt über 2 Millionen Klicks und wurde tausendfach geteilt. Yevhenii wird in der Ukraine für Stolz, Mut und Charakter gefeiert. Womöglich wird er sanktioniert. Wird ihm wohl egal sein.
Am Vortag waren in Krywyj Rih bei einem Raketenangriff (Quelle: ZDF), 18 Menschen, darunter 9 Kinder, ums Leben gekommen. Ob dies der junge Ukrainer wusste oder seine Reaktion einfach spontan war sei dahingestellt. In einem Krieg, wo fast jeder jemanden kennt, der zu Tode kam, verwundet wurde und eine ganze Generation traumatisiert ist.
Unsere Zeit ist, nicht erst seit den verhängten Zöllen von Donald Trump, geprägt von multiplen, sich überlappenden Krisen (die jedoch alle eine Vorgeschichte haben) mit verheerenden Wirkungen auf die globale Sicherheit. An vorderster Front der immer noch andauernde Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Terrorangriff der Hamas auf Israel und die heutige katastrophale Situation im Gaza-Streifen, die Attacken der Huthi-Rebellen im Roten Meer, der brandgefährlich hybride Krieg gegen die westlich-demokratischen Staaten, die anhaltenden Muskelspiele von China gegenüber Taiwan und, schon fast im Hintergrund, jedoch immer noch die grösste Bedrohung für die Menschheit, der Klimawandel. Die mit Yevhenii gleichaltrigen, schweizerischen Karatekas, befinden sich in einer Welt, in der bisherige Gewissheiten stark ins Wanken gekommen sind.
Die politischen Verantwortlichen in der Verteidigungs-, Sicherheits- und Aussenpolitik sind mit grossen Herausforderungen konfrontiert, weltweit und auch in der Schweiz.
Die Analyse und Einordnung aktueller und künftiger Herausforderungen, ihrer mittel- und langfristigen Implikationen geht uns alle an. Sie nur in die Hände weniger zu legen, war noch nie eine gute Version.
Deshalb die Erinnerung an die legendären Sätze, die der 35. US-Präsident John F. Kennedy (geboren am 29. Mai 1917, erschossen am 22. November 1963 in Dallas, Texas), bei seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 im Washingtoner Kapitol, formulierte:
“And so, my fellow Americans: ask not what your country can do for you — ask what you can do for your country. My fellow citizens of the world: ask not what America will do for you, but what together we can do for the freedom of man.”
Die fragmentierte Weltlage verlangt nach nachhaltigen Strategien und innovativem Denken und Handeln. Der Satz «als Einzelner kann ich doch nichts tun» wird gerade von Donald Trump widerlegt. Und was macht der Neue in der Schweiz? Er muss sich nicht nur einen neuen CdA, sondern auch einen neuen Direktor des Nachrichtendienstes suchen. Und da wäre noch der Abgang des Kommandanten der Luftwaffe sowie des Projektleiters für das Kampfflugzeug F-35. Etwas zu viel Unruhe in schwierigen Zeiten.
Erfreuliches? Ja, die kommenden World Games. Hier haben sich mit Rizvan Talibov (Nr. 4, +84 kg), Anzhelika Terliuga (Nr. 1, -55 kg), Andrii Zaplitnyi (Nr. 7, -75 kg) und Valerii Chobotar (Nr. 6, -75 kg) auch vier ukrainische Karatekas qualifiziert. Und hier halten wir den Handschlag ein und gratulieren. Zum Schluss: Der „neutrale“ Junge ist kein Terrorist. Er ist einfach nur ein Junge der an einem K1 Turnier in Guadalajara teilgenommen hat.